Talk Europe #offenegesellschaft
„Wir können gewinnen!“
Eine streitbare Runde fand sich am 03.04.2019 auf Einladung des Bildungsvereins #offenegesellschaft im Wiener Marxpalast ein: Starphilosoph Slavoj Žižek und Politiker Peter Pilz waren zum dritten „Talk Europe“ geladen. Die Fragen zur Zukunft Europas und dem Kampf gegen Rechtspopulismus stellten Philosoph Robert Pfaller und Psychoanalytikerin Judith Ransmayr.
„Wir müssen eine echte Debatte hören.“ Renée Schroeder, Vorstandsvorsitzende des Bildungsvereins #offenegesellschaft, betonte gleich zu Beginn der schon im Vorfeld heftig umstrittenen Veranstaltung, worum es ihr geht: Demokratie brauche produktiven Dissens und müsse daher auch bereit sein, ihn zuzulassen. Diesbezüglich mache die #offenegesellschaft ihrem Namen alle Ehre, konstatierte Robert Pfaller, der fragte, wie man die Spaltung der Gesellschaft als Ursache des Rechtspopulismus bekämpfen könnte.
Europa – eine bedrohte Idee
Slavoj Žižek betonte, dass es fatal wäre, die Realität der Krise, in der Europa stecke, verleugnen zu wollen. Die europäische Idee als Erscheinungsform der Aufklärung bezeichnete er als die „Beste, die wir derzeit haben.“ Europa sieht Žižek jedoch dadurch gefährdet, dass Gesellschaft und Politik für zentrale Problemfelder – die drohende ökologische Katastrophe, Digitalisierung und Migration – keine geeigneten Lösungen haben. „Die Hegemonie der derzeitigen Ordnung zerbricht. Wir leben in verwirrenden Zeiten.“ Die Politik sei gefordert, radikale Antworten auf die drängenden Fragen zu finden. Den Rückzug auf Kleinstaaterei bezeichnete Žižek als falschen Ansatz. Stattdessen bräuchten wir als „stolze Europäer“ dringend engere Zusammenarbeit in Form „neuer demokratischer, paneuropäischer Kooperation.“
Der Rechten entgegentreten
Auf die Frage Judith Ransmayrs, warum es der europäischen Linken gegenwärtig nicht gelänge, identitätsstiftend zu wirken, antwortete Peter Pilz mit einer fundamentalen Kritik linker Identitätspolitik: „Die Linken bringen nichts zustande, weil sie nur mit sich selbst beschäftigt sind.“ Die Linke versuche nicht einmal, dem Rechtspopulismus etwas entgegenzusetzen, weil sie überzeugt sei, nicht gewinnen zu können. Dabei müsse man nur ohne Denkverbote die Probleme unserer Zeit anpacken. Pilz forderte eine „radikale Umverteilung von Arbeit“ durch Arbeitszeitverkürzung und bessere Steuerung innereuropäischer Arbeitsmigration. Wie Žižek appellierte auch Pilz, die Augen vor den realen Problemen, die durch veränderte Arbeitsmärkte und mangelnde Integration entstünden, nicht zu verschließen. Andernfalls treibe man Wähler*innen geradezu in die Arme der Rechten. „Wir müssen radikale Realisten sein!“, sagte Pilz dazu.
Europa als Bestimmung
Beide Podiumsgäste warnten vor einem anhaltenden Rechtsruck, der Europa in seinen Grundfesten erschüttern würde. Wenn die Linke selbst nicht mehr an ein freies, sozial gerechtes Europa als Bestimmung glaube, sei es kein Wunder, dass sich Viele von ihr nicht vertreten fühlten. Gegen den Defätismus einer selbstbezüglichen, dogmatischen Linken, die vom Rechtspopulismus überrollt wird, hielt Pilz die Überzeugung: „Wir können gewinnen!
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