Ein heißes Jahr mit kaltherziger Regierung
Ein Jahr nach Angelobung des neuen Nationalrats hat die Liste Pilz eine kritische Zwischenbilanz über das bisherige Wirken der Regierung gezogen. In einem Ausblick warnten Klubchef Bruno Rossmann und die Abgeordnete Alma Zadic insbesondere vor der geplanten Abschaffung der Notstandshilfe. „Das bedeutet einen direkten Übergang vom Arbeitslosengeld in die Mindestsicherung“, kritisierte Rossmann.
Vor allem mit der Regierung gingen Rossmann und Zadic ein Jahr nach Angelobung des neuen Nationalrats (die Angelobung der ÖVP-FPÖ-Regierung jährt sich erst am 18. Dezember) hart ins Gericht: „Die Vorgangsweise der Koalition ist kaltschnäuziger geworden, die Debatten im Nationalrat rauer, der Tonfall offen frauenfeindlich, offen rassistisch, wie Alma Zadic hautnah hat erfahren müssen und die Respektlosigkeit gegenüber Parlament und Opposition ist größer geworden“, sagt Rossmann. Als Beispiel nannte Rossmann die Begutachtungsfrist von gerade einmal vier Werktagen bei der Neuregelung der staatlichen Industriebeteiligungen (ÖBAG-Gesetz) und dass die 60-Stunden-Woche ohne Begutachtung durchgeboxt“ wurde.
Rossmann wirft der Regierung „Klientelpolitik“ zugunsten der ÖVP-Großspender und eine gezielte Schwächung der Arbeitnehmerrechte vor – etwa durch die Entmachtung der Arbeitnehmervertreter in der Sozialversicherung, durch den Zwölf-Stunden-Tag und durch die angekündigte Senkung der Körperschaftsteuer auf Unternehmensgewinne.
In der Klimapolitik gebe es ein Totalversagen der Regierung. „Die Regierung legt eine Klima- und Energiestrategie vor, die von fast allen Klimaschutzexperten in der Luft zerrissen wurde und dennoch will die Regierung nichts von Maßnahmen wissen, die zur Bekämpfung der Klimakrise dringend notwendig wären, wie zum Beispiel eine CO2-Steuer im Rahmen einer ökosozialen Steuerreform. Sie rührt auch kein „Ohrwaschl“, wenn es darum geht, umweltschädliche Subventionen zu kürzen. Stattdessen begnügt sie sich, um abzulenken, mit Symbolpolitik wie Tempo 140 oder dem E-Mobilitätspaket“, stellt Bruno Rossmann fest und spricht von „Ignoranz gegenüber einer der größten Herausforderungen des 21. Jahrhunderts.
Besonders eindringlich warnt Rossmann vor der angekündigten Abschaffung der Notstandshilfe. Sollte das kommen, drohe nach dem Arbeitslosengeld der direkte Übergang in die Mindestsicherung. „Es wird dann zugegriffen auf Sparbücher, Wohnungseigentum und dergleichen mehr“, so Rossmann: „In Österreich werden Erbschaften und Vermögen de facto nicht besteuert, wohl aber soll durch diese Maßnahme eine Vermögensteuer für die Mittelschicht eingeführt werden.“ Die Regierung unternehme laut Rossmann also nichts, um die aufgehende Einkommensschere zwischen Arm und Reich zu schließen und steuere stattdessen mit großen Schritten auf eine Zwei-Drittel-Gesellschaft zu.
Liste Pilz zieht Bilanz nach einem Jahr Legislaturperiode und übt dabei scharfe Kritik an der Regierungspolitik
Im Hinblick auf die EU-Ratspräsidentschaft erinnerte Alma Zadic daran, dass sich Bundeskanzler Kurz zwar gerne als Brückenbauer darstellt, tatsächlich aber Brücken niedergerissen wurden und Europa immer weiter gespalten wird. Das zeige sich beispielsweise beim UN-Migrationspakt, den Kurz, noch als Außenminister, mitverhandelt und als große Errungenschaft bezeichnet hat, weil dabei über 190 Staaten nach einer gemeinsamen Lösung für eines der globalsten Probleme dieses Jahrhunderts suchen. Nun schwenke Kurz auf FPÖ Linie ein und lehne den Pakt mit völkerrechtlich völlig falschen Argumenten ab.
Zadic hinterfragt auch die Sinnhaftigkeit von teuren Grenzschutzübungen innerhalb der EU, wie jene an der slowenischen Grenze. „Dieses Geld, das man dort reingesteckt hat, hätte man gut investieren können in viele andere Projekte, die für die Sicherheit des Landes sorgen“, beklagt Zadic.
Zadic kritisiert auch die verfehlte Migrations- und Asylpolitik der Bundesregierung. Es würden die falschen Personen abgeschoben. „Gut integrierte Asylwerber, die eine Lehrstelle haben und die auch von den Betrieben gebraucht werden, werden abgeschoben, bei Hasspredigern und Kriminellen passiert nichts“, so Zadic.
Außerdem sei die Regierung verantwortlich für zahlreiche Kürzungen im Integrationsbereich wie z.B. bei den Deutschförderkursen. „Gerade im Schul- und im Bildungsbereich wäre es absolut notwendig, Geld in die Hand zu nehmen und für Integration zu sorgen. Es liegt offensichtlich nicht im Interesse der Regierung, Integration zu fördern. Im Gegenteil, wahrscheinlich profitiert sie von einer gescheiterten Integrationspolitik, denn durch das Schüren von Ängsten lassen sich Wahlen gewinnen“, resümiert Zadic.