Analyse: Der tragische Zustand der Sozialdemokratie am Beispiel des Rendi-Wagner Sommergesprächs

Die einst so stolze SPÖ dümpelt in den Umfragen bei rund 20 %. Zwar stellt die SPÖ nach wie vor den Kanzleranspruch, doch in Wahrheit kämpft sie gegen das schlechteste Wahlergebnis ihrer Parteigeschichte. Kein einfacher erster Wahlkampf der Politik-Quereinsteigerin Rendi-Wagner, die fehlende politische Erfahrung zeigt sich immer deutlicher. Mit ihrem Auftritt beim ORF-Sommergespräch begann der TV-Wahlkampf nun auch für PRW. Ihre Darbietung stand allerdings exemplarisch für den tragisch-traurigen Zustand der Sozialdemokratie. Eine Analyse.

Klima

Teilweise – und auch beim Sommergespräch – scheint es, als würde die SPÖ mehr über das Klima sprechen als es die Grünen tun. So wollte PRW nun einen „Klima-Konvent“ nur um von Moderator Pötzelsberger erinnert zu werden, dass es so etwas schon gibt, er allerdings keine Wirkung zeigt? PRW gibt sogar die Antwort der sozialdemokratischen Zwickmühle: CO2-Steuer kann nur EU-weit funktionieren, denn kein Land will einen wirtschaftlichen Wettbewerbsnachteil. PRW gab sich damit die Antwort selbst: Kein Land wird eine CO2-Steuer einführen, weil es die Wirtschaft schwächt, wenn es sich um einen Alleingang handelt. Jahrzehntelang war die Aufgabe der Sozialdemokratie: Die kapitalistische Wirtschaft und ihre zerstörerischen Auswirkungen auf Mensch, Tier und Natur zu zügeln. Mittlerweile sagt die Parteivorsitzende: „Das schadet der österreichischen Wirtschaft, das darf nicht passieren“.

Die soziale Frage

Die SPÖ sieht sich als nicht mehr als Verteidiger der Menschen, sondern als Verteidiger der Wirtschaft. Zwar wiederholte PRW ständig, man darf den Klimawandel nicht auf den Rücken der Ärmsten behandeln, es müsse sozial verträglich sein. Sollte man aber authentische, soziale Politik machen, dann müsste man die Wirtschaft an die Leine nehmen und darf nicht sagen, die Wirtschaft wäre so arm. PRW formuliert über 50 Minuten in keiner Weise eine Kritik an der Profitmaximierung von Konzernen und Industrie, der auf den Rücken der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer passiert.

Der große Erfolg: Eine Frau an der Spitze

PRW wurde seit ihrem Einstieg in die Politik als Gesundheitsministerin als Quereinsteigerin verkauft. Ihr Mann, Michael Rendi, war Kabinettschef von Thomas Drozda. Dieser wurde wiederrum von Christian Kern zum Kanzler gemacht. PRW ist also nicht nur eine „Quereinsteigerin“, sondern auch eine Erfindung der Kern-Drozda-Rendi-Truppe. Bedeutet: Sie ist keine Vorsitzende der Arbeiterinnen-Bewegung, sondern eine Vorsitzende von Partei-Kadern.

Nun ist sie bald 2 Jahre Partei-Chefin, die erste Frau an der Spitze der SPÖ. Diesen Fakt, muss PRW noch immer wiederholen. Doch langsam sollten ihre Erfolge diese Errungenschaft ablösen. Die ständige Betonung der Weiblichkeit, schadet nicht nur PRW selbst, da sie dadurch ihre politische Person und ihre Inhalte verdeckt. Hat sie etwa keine? Wirklich fundierten Inhalt, hörte man beim Sommergespräch jedenfalls sehr wenig.

Kritik am öffentlichen Verkehr

PRW fordert ein erschwingliches Öffi-Ticket für Österreich.  ÖBB-Kanzler Kern hatte diese Idee nicht. Gibt’s etwa bei der SPÖ doch erst seit ein paar Monaten eine Klimakrise? Denn von 2007 bis Ende 2017 war das Verkehrsministerium unter roter Führung. Niemals kam ein Vorstoß, die teuren Züge günstiger zu machen. Die Klimakrise gibt allerdings schon seit Jahrzehnten! Will die SPÖ etwa einfach auf den Thunberg-Zug aufspringen?

Parteifinanzierung

Warum will die SPÖ keine strengeren Kontrolle, wenn es um Parteispenden geht? Es ist einfach: die Plaudereien von Videokünstler Strache über Vereine und Parteispenden, umfassen drei Parteien. An dieser Stelle gibt es drei Ibiza-Parteien, ÖVP, FPÖ, SPÖ. Gegen zumindest zwei SPÖ-nahe Vereine wird aktuell ermittelt. Der Verein „Weil’s um was geht“ wurde von H.P. Haselsteiner mitgegründet. Statt die Wirtschaft zu zügeln, lässt sich die SPÖ also vom Industrie-Tycoon sponsern.

Migration und Kultur

Wie im Wahlprogramm schafft es PRW auch im Sommergespräch, über Migration zu sprechen, ohne das Wort „Religion“ auch nur einmal zu erwähnen. Damit ignoriert sie weltweite, religiöse Konflikte. Einst stand die SPÖ für eine strenge Trennung von Staat und Religion, für eine echte Säkularisierung des Staates. Doch durch einen Toleranzbegriff, den die SPÖ mit Solidarität verwechselt, wurde jede Kritik an Religionen als diskriminierend verstanden. Damit negiert die SPÖ ihre alten, linken Wurzeln gänzlich. Karl Marx erinnert PRW: „Das religiöse Elend ist in einem der Ausdruck des wirklichen Elendes und in einem die Protestation gegen das wirkliche Elend. Die Religion ist der Seufzer der bedrängten Kreatur.“ Sie ist der „Geist geistloser Zustände“, und die SPÖ will diesen Zustand scheinbar nicht mehr überwinden.

Kein Nein zu Kurz

PRW stellt klar: Keine Koalition mit der FPÖ. Doch zu einem strikten Nein mit Kurz kann sie sich nicht durchringen, dabei zeigt seine „Bewegung“ offensichtlich faschistoide Züge. Der ehrwürdige anti-faschistische Konsens der SPÖ relativiert sich unrühmlich selbst, wenn PRW nicht sagen kann: Mit dieser Kurz-ÖVP auf keinen Fall! Denn die „Kurz-Bewegung“ weist gefährlich anti-demokratische Züge auf, will die Medienlandschaft „orbanisieren“ und kritische Berichterstattung mundtot machen. Gleichzeitig schließt Kurz die SPÖ kategorisch als Juniorpartner aus, dennoch hat PRW Angst davor, mit einem „Nein zu Kurz“, dem Altkanzler vor den Kopf zu stoßen.

Menschlichkeit statt Vernunft

Die SPÖ plakatiert mit „Menschlichkeit siegt.“ Menschlichkeit ist in einer Welt der Ich-AGs und des Neoliberalismus zu einem „Plastikwort“ (@Pörksen) verkommen, das im Gebrauch der Rechten mit Heimatliebe und -treue, einen sehr eigenen Spin erhalten hat. Kurz und Co „handeln eben gerade im Sinne „ihrer“ Menschlichkeit (für Österreich!?), wenn sei von häßlichen Bildern sprechen, ohne die es nicht gehen wird.  Die SPÖ, traut sich letztlich nicht zu sagen, dass es logisch und vernünftig wäre, ein Kreuz bei der ehemaligen Arbeiterpartei zu machen. Wahrscheinlich sind sie da aber einfach nur unbeschreiblich ehrlich, weil es schon lange nicht mehr, wie sich auch beim Sommergespräch gezeigt hat, vernünftig ist, die SPÖ zu wählen.

Warum und woher dieser dramatische Verfall der SPÖ kam, wird in vielen Büchern versucht zu besprechen. Portugal und Dänemark zeigen, dass die sozialdemokratische Idee in Europa noch nicht tot ist, doch mit Wirtschaftskonformismus und falschen Toleranzfantasien, ist ihr der Untergang vorbestimmt, Deutschland zeigt es vor. Die SPÖ ist zudem genetisch oppositionsunfähig und wird auch im Kabinett Kurz II keine strenge, schlagkräftige oppositionelle Kraft formieren können.

Will man eine konsequent antifaschistische Kraft, die strikt säkulare Politik macht und die Medienfantasien von Kurz aufs Härteste bekämpfen wird, kann die SPÖ auch dieses Mal nicht wählen.  Für überzeugte Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten gibt es am Wahlzettel allerdings eine Alternative: JETZT – Liste Pilz.