Analyse: Das Wunder FPÖ

Die FPÖ hat etwas, mit großer Unterstützung von Öffentlichkeit und Medien, unglaubliches geschafft. Sie konnte sich über Ibiza drüber retten, steht nicht bei erwartungsgemäßen 5-10 % in den Umfragen, sondern um die 20 %. Wie konnte das passieren?

Von der Harmonie-Regierung zum Wahlkampf

18.Mai 2019: Ein Video versetzt ein Land in Staunen und sprengt die Regierung. Abertausende feiern am Ballhausplatz das Ende dieser autoritären und zerstörerischen Regierung der Reichen. Nur wenige Tage später ist auch der jüngste Kanzler der Republik Geschichte und zum kürzesten Kanzler der Geschichte degradiert.

Der Wahlkampf beginnt – auch wenn er nicht offen so deklariert wird, um Wahlkampfkosten zu vertuschen. Und die FPÖ? Sie beginnt ihre eigene Ibiza-Geschichte in Umlauf zu bringen: Die einzigen Verbrecher waren die Filmemacher, Strache und Gudenus nur die Opfer, sie sollen betrogen und manipuliert worden sein. Und es geht ihnen auf: Statt dem berechtigten Totalabsturz bei der EU-Wahl, reüssierte die Ibiza-FPÖ bei 18 %.

Nein, die FPÖ muss nicht der große Verlierer der Nationalratswahl werden, sie entwickelt eine perfide Strategie, um den größten FPÖ-Skandal aller Zeiten aus dem Gedächtnis ihrer Wählerschaft zu verdrängen.

Good Cop, Bad Cop

Man ersetzt Strache nicht mit Hofer oder Kickl, sondern mit beiden. Die FPÖ setzt auf eine Doppelspitze im Wahlkampf und versucht mit zwei Gesichtern zu agieren. Dabei ist die Rollenverteilung klar: Hofer, der Zum-Glück-nicht-ganz-Bundespräsident, macht den sanften Staatsmann, die mit allen reden könne, ein toller Zuhörer wäre und angeblich kompromissfähig sei. Hofer adressiert nicht die FPÖ-Basis, sondern enttäuschte Wähler, für die eine Ibiza-Partei unwählbar wurde. Er versucht eine Abwanderung weg von der FPÖ zu verhindern, will versöhnen und lässt der Republik, voll mit Kreide, wissen: „Wir sind ja nicht so.“

Dagegen steht der „bad cop“ Kickl, der die Basis ansprechen will und die ÖVP attackiert. Während Hofer den „erfolgreichen Weg von Türkis-Blau, den man weiterführen will“ propagiert, attackiert Kickl die machtbesoffene ÖVP und den opportunistischen Kurz, der Ibiza nutzte, um eine angebliche gut laufende Regierung zu stürzen. So insziniert sich Kickl oft umgeben von Polizisten, diese Bilder suggerieren, er kümmere sich um Österreich, um Österreichs Sicherheit um „seine“ Polizisten. Er konzentriert die Parteibasis hinter sich, die sich jenen autoritären Law-and-Order-Kurs den Kickl vor allem symbolisch im Innenministerium führte, wünschen.

Die Zerstörung des Diskurses

Während Kickl auf die Probleme zeigt, positioniert sich Hofer als der Konstruktive, als jener, der Lösungen präsentiert. Er wird der sein, der die FPÖ inhaltlich positioniert, der vorgibt ein Experte in erneuerbaren Energieträgern ist, wird er sich als Techniker inszenieren und gleichzeitig die direkte Demokratie als Koalitionsbedingung fordern. Währenddessen verschärft der Kickl-Block den Diskurs.

Durch abstruse Forderungen wie Erziehungslager für schlimme Schüler, Senkungen der Strafmündigkeit auf 12 Jahre oder eine Schweinefleischpflicht im Kindergarten, wird immer mehr sagbar. Dies hat zur Folge, dass Kickls Grenzzaun-Pläne, die vor Kurzem publik wurden, keinen riesigen Schrei der Empörung mit sich brachten, sondern dass Kickl sie auf ServusTV sogar ernsthaft diskutieren durfte. Keinen Funken mehr von der öffentlichen Aufregung, als Faymann und Mitterlehner über den „Zaun mit Seitentürln“ debattierten.

Kickls zentrales Thema wird die Migration bleiben, der ständige Verweis auf 2015, mythologisiert die Ereignisse des damaligen Sommers auf jene Art und Weise wie es die FPÖ will. Man warnt vor „Völkerwanderungen“ und vor der Balkan-Route. Und während Hofer die tolle Zusammenarbeit von Türkis-Blau lobt, warnt Kickl vor „Schwarz-Rot“ und „Schwarz-Pink/Grün“.

Wie damit umgehen?

Wir wissen: Die FPÖ ist eine Partei mit anti-demokratische Grundtendenz. Und genau dort ist sie angreifbar. Denn Hofer gibt den Demokraten, Kickl den Demagogen – eine Doppelspitze aus Demokraten und Demagogen – das geht sich nicht aus. Man muss den Hofer demaskieren, zeigen, dass die wahre Linie der FPÖ die antidemokratische Kickl-Linie ist. Und klar machen: FPÖ ist Ibiza – und muss auf immer von den Futtertrögen der Regierungsmacht ausgeschlossen werden.

In Debatten muss der FPÖ klar gemacht werden: Wenn die Rolle Hofers als Demokraten echt ist, dann ist der Redenschreiber Haiders und Reim-Hetzer Kickl nicht tragbar. Keine Partei mit demokratischen Grundkonsens kann diese Person tragen. Es muss ein Keil getrieben werden zwischen den scheinbaren Demokraten und Kickl. Denn damit muss er sich entscheiden: Lässt Hofer die Maske fallen und bekennt sich zur anti-demokratischen Parteilinie oder es entfacht sich ein Grabenkampf innerhalb der FPÖ. So können wir dafür sorgen, dass Ibiza doch noch das Ende der FPÖ, so wie wir sie kennen, wird.