VSV/Peter Kolba: Insolvenz Reiseveranstalter – Kunden ohne Hilfe?
Insolvenzabsicherung verschlechtert
Wien (OTS) – Der Sommerurlaub rückt näher. Das ist auch die Zeit, in der viele Menschen von einer Insolvenz eines Reiseveranstalters oder einer Fluglinie betroffen sind. Das System der Insolvenzabsicherung wurde durch eine EU-Richtlinie und deren ambitionslose Umsetzung in Österreich verschlechtert.
Wird über einen Reiseveranstalter die Insolvenz eröffnet, dann haben Kunden den Anspruch auf Rückzahlung der geleisteten Zahlungen bzw auf kostenlosen Rücktransport in die Heimat. Dafür müssen Veranstalter abgesichert sein.
”Doch der österreichische Gesetzgeber hat sich der Überprüfung der Absicherungen entledigt. Die Veranstalter müssen die Absicherung nur in das Gewerbeinformationssystem (GISA) der WKÖ eintragen. Kein Konsument kennt dieses System und die WKÖ prüft auch nichts mehr,” kritisiert Peter Kolba, Obmann des Verbraucherschutzvereines (VSV). “Die Informationspflichten fur Reiseinteressenten wurden auch ersatzlos gestrichen.”
Die Insolvenzabsicherung gilt auch für Onlinebuchungen von Flug, Hotel, Mietwagen. Falls es zu einer Insolvenz einer Airline kommt, muss man daher prüfen ob:
– der Flug und das Hotel gemeinsam gebucht wurden (Reiseveranstalter haftet für Leistungsausführung)
– der Flug und das Hotel zwar getrennt, aber über eine Vermittlung binnen 24 Stunden gebucht wurde und die Personendaten weitergeleitet wurden (Vermittler haftet)
– der Flug und das Hotel zwar getrennt, aber über eine Vermittlung binnen 24 Stunden gebucht wurde, aber keine Daten übermittelt wurden (Zahlungen an den Vermittler müssen gegen Insolvenz abgesichert sein)
Wenn Reiseleistungen von Veranstaltern außerhalb des EWR vermittelt werden, dann muss der Vermittler laut Richtlinie für die Insolvenzabsicherung einstehen, doch das wurde in Österreich vergessen umzusetzen.
”Die Insolvenzabsicherung wurde intransparent und kompliziert. Doch wenn deshalb etwas schief geht kann man die Republik Österreich aus der Staatshaftung in Anspruch nehmen,” sagt Kolba. “Der VSV wird Reisende im Fall der Fälle unterstützen.”
Rückfragehinweis:
Dr. Peter Kolba, +43 6602002437
Zur Rechtslage:
1. Neues Reiserecht in Kraft
Aufgrund der EU Richtlinie 2015/2302 vom 25.11.2015 über Pauschalreisen und verbundene Reiseleistungen traten in Österreich folgende neue Rechtsnormen in Kraft:
· 1.7.2018 Pauschalreisegesetz (PRG)
· 29.9.2018 Pauschalreiseverordnung (PRV)
Die Insolvenzabsicherung wird in den Art. 17 – 19 der EU Richtlinie für Pauschalreisen und verbundene Reiseleistungen vorgeschrieben und in der PVR detailliert geregelt.
Reisende sollen im Fall der Insolvenz des
· des Veranstalters einer Pauschalreise
· des Vermittlers einer verbundenen Reiseleistung
geleistete Zahlungen rückerstattet bekommen und – passiert die Insolvenz während seines Urlaubes – kostenlos in die Heimat zurückbefördert werden.
Eine Pauschalreise liegt vor, wenn mindestens zwei Reiseleistungen (Beförderung, Unterbringung, Autovermietung, andere touristische Reiseleistung) in einem Vertrag oder zu einem Gesamtpreis bei einem Veranstalter gebucht werden.
Verbundene Reiseleistungen liegen vor, wenn mindestens zwei Reiseleistungen in separaten Verträgen bei separater Zahlung
· beim Besuch eines Reisebüros
· bei einer Online-Buchung (spätestens 24 Stunden nach Erstbuchung)
vermittelt werden.
Veranstalter und Vermittler – im Gesetz sperrig „Reiseleistungsausübungsberechtigte“ benannt – sind verpflichtet, die Insolvenzabsicherung durch eine Versicherung oder Bankgarantie sicherzustellen.
Sie können zwischen einer betragsmäßig unbeschränkten Risikoabdeckung (keine Beschränkungen für Anzahlungen) oder einer Mindestversicherungssumme von 18 Prozent des Umsatzes des Kalenderjahres oder 50% des Spitzenmonates (nicht mehr als 20% Anzahlung vor 20 Tagen vor dem Reiseantritt zahlbar) entscheiden.
Ein Anspruch besteht für Reisende nur, wenn Sie binnen 8 Wochen ab der Insolvenz ihre Ansprüche beim Abwickler gemeldet haben (Ausnahme, wenn Frist ohne Verschulden versäumt wurde).
„Sollte das System der Insolvenzabsicherung die genannten Schäden nicht (zur Gänze) abdecken, dann besteht die Möglichkeit die Republik Österreich aus der Staatshaftung in Anspruch zu nehmen,“ sagt Dr. Peter Kolba, Obmann des Verbraucherschutzvereines.
Insolvenz – Was tun?
· Buchungsbestätigung checken (Wer ist Absicherer? Wer ist Abwickler?)
· Keine weiteren Zahlungen an Reiseveranstalter
· Ansprüche binnen 8 Wochen bei Abwickler anmelden (Einschreiben mit RS)
· Auslagen für weiteren Aufenthalt vor Ort bzw Rückreise (Belege sammeln)
2) Rückschritt bei Information der Kunden
a) Keine Information vor Buchung
§ 7 Reisebürosicherungsverordnung (außer Kraft seit 29.9.2018)
Informationspflichten
§ 7. (1) Der Veranstalter hat in die von ihm verwendeten detaillierten Werbeunterlagen folgende Angaben deutlich sichtbar aufzunehmen:
1. die Nummer, unter der dieser in das Veranstalterverzeichnis gemäß § 9 Abs. 5 eingetragen wurde (Eintragungsnummer),
2. den Versicherer gemäß § 3 Abs. 3 Z 1 oder den Garanten gemäß § 3 Abs. 3 Z 2,
3. die Versicherungsscheinnummer (Polizzennummer) oder die Nummer der Garantie,
4. die Höhe der Übernahme von Kundengeldern als Anzahlung gemäß § 4 Abs. 5,
5. den Abwickler gemäß § 2 Z 6 einschließlich Namen, Adresse, Telefonnummer und Telefaxnummer, und
6. den Hinweis auf das Erfordernis, sämtliche Ansprüche bei sonstigem Anspruchsverlust innerhalb von acht Wochen ab Eintritt der in § 1 Abs. 3 genannten Ereignisse beim Abwickler anzumelden.
§ 4 Pauschalreisegesetz (1.7.2018)
Keine Verpflichtung zur Information vor der Buchung.
§ 3 Abs 6 Pauschalreiseverordnung (29.9.2018)
Verpflichtung zur Information erst in der Buchungsbestätigung (nach Buchung)
· Hinweis auf GISA (Gewerbeinformationssystem Austria) im Internet
· Hinweis, dass dort Details zur Absicherung zu finden
· Angabe der GISA-Zahl
„Es ist ein Schildbürgerstreich des Gesetzgebers, Reisende nicht bereits in den Katalogen – also vor einer Buchung – über die Insolvenzabsicherung zu informieren, denn die Absicherung des Vertragspartners ist ein wesentliches Auswahlkriterium für die Kunden,“ sagt Prof. KR Joseph Reitinger-Laska, Obmann des Verein zur Förderung und zum Schutz eines fairen und lauteren Wettbewerbs in Österreich.
b) Kein „Sicherungsschein“
In Deutschland bekommen Reisende mit den Buchungsunterlagen einen „Sicherungsschein“ mit allen Daten ausgefolgt.
„Es ist erheblich auffallender, einen Sicherungsschein ausgefolgt zu bekommen und auf die Reise mitzunehmen, als im Kleingedruckten der Buchungsbestätigung auf das Internet und die GISA-Nummer verwiesen zu werden,“ ergänzt Kolba.
c) Mangelhafte Umsetzung bei Reiseveranstalter außerhalb des EWR
Nach Art 20 der EU Pauschalreiserichtlinie trifft einen Reisevermittler von Reiseleistungen eines Reiseveranstalters der außerhalb des EWR seinen Sitz hat, auch eine Pflicht iSd Kapitel V der Richtlinie (Absicherung/Schutz bei Insolvenz). Die Bestimmung des Art 20 wurde jedoch weder im PRG noch in der PRV umgesetzt. Allerdings ist in diesem Zusammenhang auf Art 17 Abs 2 letzter Satz der Richtlinie zu verweisen, demzufolge Reiseveranstalter, die nicht in einem Mitgliedsstaat niedergelassen sind und die in einem Mitgliedsstaat aber Pauschalreisen anbieten oder verkaufen, verpflichtet sind, nach dem Recht des jeweiligen Mitgliedsstaates Sicherheiten zu leisten.
„Hier tut sich eine Schutzlücke auf, falls der ausländische Reiseveranstalter keine Absicherung vorgesehen hat und in Insolvenz geht. Gemäß der Richtlinie müsste nun der Reisevermittler einstehen. Doch das hat der Gesetzgeber nicht ausdrücklich geregelt,“ erklärt Rechtsanwalt Dr. Wukoschitz, ein Kenner des Reiserechtes.