Durch Indexierung der Familienbeihilfe droht Zusammenbruch der 24h-Pflege in Österreich

Die Familienbeihilfe und der Kinderabsetzbetrag dienen dazu Eltern zu unterstützen und einen Teil der Kosten aus der Unterhaltspflicht ihren Kindern gegenüber solidarisch durch die Gemeinschaft zu tragen. „Selbstverständlich steht diese Unterstützung allen Menschen, die in Österreich legal arbeiten und ihre Steuern zahlen, in gleichem Maße zu. Wir müssen aber zur Kenntnis nehmen, dass Preisniveaus und damit auch die Kaufkraft in den europäischen Ländern sehr unterschiedlich sind. Um also den gleichen Grad der Unterstützung, wie ihn eine in Österreich lebende Familie durch die Familienbeihilfe (und den Kinderabsetzbetrag) erfährt, auch in anderen EU-Staaten zu gewährleisten, ist eine Anpassung der Leistungen in Form einer Indexierung mittelfristig nachvollziehbar“, erklärt die Sozialsprecherin der Liste Pilz, Daniela Holzinger. Um eventuelle Härten für pflegebedürftige ÖsterreicherInnen als auch für ausländische Pflegekräfte abzufedern, das System nachhaltig zu gestalten und Mehrkosten zu vermeiden, sind für eine Reform jedoch zuerst entsprechende Rahmenbedingungen zu schaffen.

Aktuell wird ein wesentlicher Teil professioneller Pflegetätigkeit (24h-Pflege) in Österreich von rund 60.000 ausländischen BetreuerInnen geleistet. Dies unter anderem deshalb, weil die Bezahlung von im Schnitt rund 900 Euro pro Monat weit unter dem Wert der zu leistenden Arbeit angesiedelt ist und sich dafür kaum inländische Fachkräfte finden lassen. „Für viele der ausländischen Pflegekräfte stellt die Familienbeihilfe aktuell einen wesentlichen Gehaltsbestandteil dar. Rund 400 Euro für zwei Kinder von drei und zwölf Jahren entspricht beispielsweise dem Monatsgehalt einer in der Slowakei tätigen Betreuerin und trägt dazu bei, dass sich in Österreich zur Sicherstellung der Pflege ein Niedriglohnsektor etabliert hat“, meint Holzinger.

Da bei einer voreiligen Indexierung aber die Gefahr eines Pflegenotstandes bestünde, weil sich viele ausländische PflegerInnen bei ersatzlosem Wegfall des „Gehaltsbestandteiles Familienbeihilfe“ möglicherweise eher für ihre Lieben entscheiden würden, anstatt des Geldes wegen nach Österreich zu pendeln, ist vor einer Anpassung die Pflege nachhaltig abzusichern: „In meinen Augen ist es ein Armutszeugnis für ein reiches Land wie Österreich, die Pflege seiner älteren MitbürgerInnen auf der Not von Menschen aus ärmeren Regionen Europas aufzubauen. Die Subventionierung per Familienleistungen unter Ausnutzung unterschiedlicher Preisniveaus schlägt dem Ganzen dann den Boden aus. Als hätte man es darauf abgesehen Familien auseinander zu reißen“, kritisiert Holzinger und merkt an, dass etwa kinderlose Personen keine Möglichkeit hätten diese zweifelhaften Vorteile zu nutzen. „Es ist daher dringend notwendig, Pflegetätigkeiten und Sozialberufe allgemein leistungsgerecht zu entlohnen und dadurch allen ArbeitnehmerInnen gleiche und faire Bedingungen zu bieten.“

Weiters ist sicher zu stellen, dass eine wie auch immer geartete Maßnahme im Einklang mit dem Europarecht steht, was aktuell von Experten noch kritisch gesehen wird. Entsprechend der Einschätzungen von Univ. Prof. Dr. Franz Marhold (Institutsvorstand für Österreichisches und Europäisches Arbeits- und Sozialrecht an der WU-Wien) sind hier erhebliche Probleme zu erwarten. So sieht Marhold den gegenwärtigen Zugang der Regierung als unvereinbar mit EU-Grundfreiheiten (insb. des Rechts auf Freizügigkeit) und damit als primärrechtswidrig.

„Österreich könnte durch eine unüberlegte Reform ohne ausreichende Abstimmung mit unseren europäischen Partnern also die Gefahr eines Vertragsverletzungsverfahrens drohen. In letzter Konsequenz möglicherweise verbunden mit Strafzahlungen. Die erhofften Einsparungen würden uns damit am Ende teuer zu stehen kommen. Eine Zustimmung zur Indexierung kommt daher zum gegenwärtigen Zeitpunkt nicht in Frage“, hält Holzinger fest.