Gesellschaft: Trennung von Staat und Kirche

JETZT-Liste Pilz setzt sich für eine Umsetzung der Säkularisierung ein und fordert ein generelles Verbot von religiösen Symbolen im öffentlichen Dienst. Grundsätzlich hätten religiöse Symbole in öffentlichen Einrichtungen wie Schulen, Gerichten oder Kasernen nichts verloren. Einen Unterschied zwischen den Glaubensgemeinschaften zu machen, verletze nämlich nicht nur Verfassungsprinzipien, es mache auch Schulen und Gerichte zu Orten eines Religionsstreits. Die Ausweitung des Kopftuchverbots, wie sie gerade Gernot Blümel von der ÖVP als Ablenkung von anderen Themen forderte, ist für Peter Pilz zu kurz gegriffen. Die Debatte um ein Kopftuchverbot kann nur im Kontext einer Diskussion um die klare Trennung von Staat und Kirche einhergehen.

Der Blick zurück

Blickt man in der Geschichte zurück, so bestanden seit frühen Zeiten enge Verbindungen zwischen Staat und Religion, vom Römischen Reich, über das Mittelalter bis zur Frühen Neuzeit. Nach den Bestimmungen des Augsburger Religionsfriedens 1555 konnte der Herrscher die Religion seiner Untertanen bestimmen. Vertreibungen von Andersgläubigen waren gang und gäbe, um solche Staaten mit nur einer Staatsreligion zu verwirklichen.

Aufklärung verändert – teilweise

Erst die Aufklärung, die sicherlich eine der wichtigsten und lange nachwirkenden Veränderungen in Europa darstellte, entwickelte den Gedanken der religiösen Toleranz. In unserem Gebiet kam dieser in der Gesetzgebung Josefs II. zum Tragen, welche den Juden, Protestanten und Griechisch-Orthodoxen Toleranz garantierte. Das bedeutete aber keinesfalls eine völlige Gleichberechtigung.

Österreich – Retro wie so oft

Der Staat blieb, beherrscht von der Dynastie der katholischen Habsburger, die „von Gottes Gnaden“ regierten, weiterhin von der Kirche geprägt. Die Versuche der Liberalen 1868, das Konkordat von 1855, in dem der katholischen Kirche besondere Rechte (Ehe, Schule) eingeräumt wurden, aufzulösen, scheiterten. Eine klare Trennung von Staat und Kirche fand nicht statt und auch mit der Gründung der Republik 1918 erfolgten keine Schritte in dieser Richtung. Mit dem von den Austrofaschisten ausgehandelten Konkordat von 1933/34 das – sieht man von einigen Veränderungen nach 1945 ab – bis heute gültig ist, räumte man der katholischen Kirche erneut eine starke Stellung ein.

Frankreich als Vorreiter

In einem anderen politischen System, wie zum Beispiel in Frankreich 1905, wurde hingegen die klare Trennung von Staat und Kirche mit einem Gesetz eingeführt. Der Staat ist laizistisch. Kirchen und Religionsgemeinschaften sind keine privilegierten Körperschaften öffentlichen Rechts. Vor dem Hintergrund des Laizismus im staatlichen Schulwesen ist in Frankreich auch die Debatte um das Tragen von Kopftüchern erfolgt, die 2005 zu der Bestimmung führte, dass in Schulen religiös geprägte Kleidung sowie religiöse Symbole verboten sind und es dort keinen Religionsunterricht gibt.

Religion ist nicht Privatsache

In Österreich herrscht zwar Religionsfreiheit und die meisten der bestehenden Konfessionen sind staatlich anerkannt, doch stellt der spezifisch katholisch geprägte Staat die christlichen Symbole in den öffentlichen Raum. Religion ist dadurch nicht Privatsache. Nicht nur in öffentlichen Gebäuden, auch in jedem Klassenraum hängt ein Kreuz – heutzutage in Klassen, in denen oft die Mehrheit der Schülerinnen und Schüler Muslime sind – und dem Religionsunterricht wird Schulzeit gewidmet. In der Rechtsvorschrift für die Eidesablegung vor Gericht ist in unserem Bundesrecht immer noch festgeschrieben, dass man, ohne Rücksicht auf das Religionsbekenntnis, dabei „bei Gott dem Allmächtigen und Allwissenden“ schwört.

Verbot aller religiösen Symbole

Würde man in Österreich die Verfassung in Richtung des Laizismus verändern, würden auch hier religiöse Symbole aus öffentlichen Institutionen, wie Schulen, Ämtern oder Gerichten verbannt werden. In den öffentlichen Schulen könnte man durch das Verbot aller religiösen Symbole und die Abschaffung des Religionsunterrichts, statt dem ein Ethikunterricht eingeführt wird, religiöse Konflikte – wie sie derzeit vorhanden sind – vermindern und Integration fördern. Die Säkularisierung des Staates würde auch das Problem lösen, dass man mit Maßnahmen, wie einem Kopftuchverbot den in der Verfassung festgelegten Gleichheitsgrundsatz verletzt. Gleichzeitig würde ein deutliches Zeichen gesetzt, dass Religion ausschließlich Privatsache ist.

Die Schaffung eines säkularen Staates war lange ein Anliegen der Linken, vor allem der Sozialdemokratie, die aber nach 1945 nur mehr wenig an diese Ideen anschlossen. Selbst in der Zeit der SPÖ-Alleinregierung von 1970-1983 kam es eher zur Förderung der Kirche (Staatliche Bezahlung der Lehrer in katholischen Privatschulen) als zu sinnvollen Schritten in Richtung Säkularismus.

Islamdebatte

Im Hinblick auf die ideologischen Grundlagen der konservativen Parteien ÖVP und FPÖ, die hier Diskussionen vorwiegend im Lichte des Anti-Islam oder der Privilegierung des Christentums führen und der wenig prononcierten Haltung der SPÖ, wird man eine Säkularisierung des politischen Systems in Österreich nur langsam voranbringen. Das Bewusstmachen der Privilegien der Kirchen (Steuerfreiheit, keine Kollektivverträge, staatliche Zahlungen auf Grund des Konkordats) ist jedoch ein wichtiges Anliegen des liberalen Staates und würde auch eine politische Atmosphäre schaffen, die der Umsetzung der Säkularisierung und letztlich auch der Gleichberechtigung von Minderheiten förderlich wäre.

JETZT-Liste Pilz wird sich in der nächsten Legislaturperiode intensiv dafür einsetzen.