Kolba/Zadic: Europa braucht effektive Sammelklagen

Heute findet im Haus der Europäischen Union der „Österreichische Konsumentendialog“ im Beisein der EU-Kommissarin für Verbraucherschutz, Vera Jourova, und der Konsumentenschutzministerin Hartinger-Klein statt. Mit auf der Agenda: Der Vorschlag der EU-Kommission für eine Richtlinie für Verbandsklagen (Sammelklagen). „Die Liste Pilz begrüßt den Vorschlag der EU-Kommission für Verbandsklagen. Man hat aus den vergangenen Skandalen offensichtlich gelernt und will effektive Klagen bei Massenschäden einführen“, sagt Alma Zadic im Konsumentenschutzausschuss im Parlament.

Der Entwurf sieht eine Erlaubnis zur Führung von Verbandsklagen nur durch Verbände vor. Einzelne Geschädigte bzw. von Anwälten oder Prozessfinanzierern gesammelte Geschädigtengruppen könnten keine solche Klage führen. In Österreich können seit Inkrafttreten des Konsumentenschutzgesetzes nur die Sozialpartner, der Seniorenrat und der VKI solche Klagen führen. „WKÖ, Landwirtschaftskammer und ÖGB sowie der Seniorenrat haben seither noch nie eine solche Klage geführt. Nur der VKI und die AK sind auf diesem Gebiet aktiv“, berichtet Peter Kolba, Leiter des „Team Bürgerrechte“ der Liste Pilz.

„Wir fordern daher von der Bundesregierung, dass auch andere Verbände, insbesondere der Verbraucherschutzverein, COBIN claims und die Datenschützer von NOYB die Berechtigung für Verbandsklagen bekommen“, stellt Alma Zadic einen entsprechenden Initiativantrag im Nationalrat in Aussicht. Kolba fragt Jourova, weshalb der Vorschlag Anwälte und Prozessfinanzierer zu Statisten macht, wenn doch viele Verbände kaum das Budget haben, aufwendige Verbandsklagen zu finanzieren. „In den USA funktioniert der Wettbewerb von Rechtsdienstleistern und daher florieren die Sammelklagen. Wer sich – ohne Rechtsschutzversicherung – eine Klage nicht leisten kann, ist froh, wenn Prozessfinanzierer das Risiko übernehmen und dafür am Ergebnis prozentual beteiligt werden“, weiß Kolba aus seinen Erfahrungen mit Sammelklagen des VKI.

Ein zentraler Punkt bei Massenschäden ist die Verjährung von Ansprüchen. „Beklagte spekulieren darauf, dass nur eine Minderheit der Geschädigten klagt und die Masse ihre Ansprüche – mangels Versicherung – verjähren lässt. Erst wenn das Kalkül aufgeht, wird von den Beklagten zum Vergleich verhandelt“, berichtet Kolba. „Der Richtlinienvorschlag schlägt eine Hemmung der Verjährung für sämtliche Geschädigte vor, die sich nicht aktiv abmelden (opt out). Das ist ein zentraler Punkt, um Massenverfahren effektiv zu machen und Anreize zu bilden, dass der Beklagte rasch zu einem Gesamtvergleich verhandelt“, bekräftigt Alma Zadic. „Ich kann nur hoffen, dass dieser wesentliche Punkt im Rechtssetzungsprozess nicht unter die Räder kommt.“

Liste Pilz stellt Fragen an EU-Kommissarin Jourova und Forderungen an Regierung

 

Vera Jourova hat ein Inkrafttreten der Richtlinie am 1.1.2019 angekündigt. „Wird dieser Termin unter österreichischer Ratspräsidentschaft eingehalten werden können“, fragt Alma Zadic bei Vera Jourova nach. „Im Hinblick auf die – offenbar abgesprochenen – Diesellügen der deutschen Autoindustrie wäre eine rasche Umsetzung höchst wünschenswert“, ergänzt Kolba.

Service: Buch zum Thema: Kolba, Davids gegen Goliath – Der VW-Skandal und die Möglichkeit von Sammelklagen, mandelbaum verlag, Wien 2017 und die zugehörige Web-Site www.davids-gegen-goliath.at.