Peter Kolba: Wenn unsere Gerichtsbarkeit unzumutbar wird …

10 Jahre Dauer – 10 Sachverständige am Werk

Wien (OTS) – Wenn der Sohn mit 21 Jahren in einem Krankenhaus verstirbt, ist das für die Mutter eine Katastrophe. Genau das ist Frau K. vor 10 Jahren passiert. Ihr Sohn war drogenabhängig, begab sich freiwillig in das Kaiser Franz Josef Spital zur Behandlung und verstarb dort trotz intensiver Behandlung. Die Todesursache blieb jahrelang strittig.

Zunächst stellte die Staatsanwaltschaft Wien ein strafrechtliches Ermittlungsverfahren ein, als zugezogene Sachverständige von einem Herzinfarkt ohne besonderen Auslöser ausgingen.

Fahrlässige Überdosierung

Die Mutter wollte dennoch Aufklärung und klagte den Spitalsträger – die Stadt Wien – auf Schadenersatz (Begräbniskosten und Schockschaden). Nach zehn Jahren und insgesamt zehn Sachverständigen steht rechtkräftig fest, dass ihr Sohn infolge der fahrlässigen Überdosierung von Substitol eine Atemlähmung erlitt und daraufhin der Hirntod eintrat.

Diese Abklärung verdankt die Mutter dem Oberlandesgericht Wien, das einen sehr kompetenten medizinischen Sachverständigen bestellte, der seine Vorgutachter zum Teil sehr deutlich kritisierte.

So hatte eine Neurologin „nach Rücksprache mit einem befreundeten Kardiologen“ sich zur Frage „Herzinfarkt“ gutachterlich vorgewagt, ein anderer Sachverständiger überschritt ebenfalls seine Fachzuständigkeit.

Auf hoher See und bei Gericht ist man in Gottes Hand

Ein Sachverständiger im Strafverfahren schloss aus dem Fehlen von Laborwerten in der Krankengeschichte (ein weiterer Kunstfehler der Spitalsärzte), dass keine Überdosierung vorliegen könne. Trotz Hinweisen in der Krankengeschichte stellte er auch keinen Atemstillstand fest. Der nächste Sachverständige ging in seinem Gutachten nicht auf fachlich empfohlene Mengen von Substitol und die besonderen Umstände (Gewöhnung an Opioide) ein. Ein weiterer Sachverständiger sah in einem Herzklappenfehler einen Grund für einen Herzinfarkt. Das schloss der Gutachter im Berufungsverfahren aus.

„Der Spruch ‚Auf hoher See und bei Gericht ist man in Gottes Hand‘ trifft besonders auf Verfahren mit Sachverständigen zu. Als Leiter des Teams BürgerInnenrechte von JETZT-Liste Pilz habe ich haarsträubende Fälle vorgelegt bekommen, wo zweifelhafte Gutachten oft auch zu Fehlentscheidungen geführt haben,“ stellt Peter Kolba fest. „Mein Kollege, Abgeordneter Alfred Noll, hat daher an den Justizminister im konkreten Fall die Anfrage gerichtet, ob und welche Konsequenzen die Kaskade von Falschgutachten im vorliegenden Fall gehabt haben“, so Kolba weiter.

„Es ist für Geschädigte nicht nachvollziehbar, weshalb Verfahren um Schadenersatz bei Ärztefehlern häufig ewig dauern und eine Art Glücksspiel sein können,“ legt Kolba nach.

„Dabei unterstelle ich keineswegs Absicht, sondern Schlamperei, zumal Gutachter – und besonders im medizinischen und psychiatrischen Bereich – schlecht bezahlt werden. Dadurch gibt es natürlich eine Negativauslese bei den Gutachtern.“

JETZT-Liste Pilz fordert daher:

  • Regelmäßige behördliche Evaluierung von Gutachten
  • Ombudsstelle für Verfahrensparteien, die sich durch ein Gutachten beschwert sehen
  • Streichung von Gutachtern aus der Liste der Sachverständigen, wenn mehrmals schlampige (Copy&Paste) oder falsche Gutachten erstattet werden“, so Kolba abschließend.