Gravierende Missstände im Gutachterwesen und in Asylverfahren

Mit seiner angekündigten Geschichte macht „Profil“ auf einen gravierenden Missstand im Asylverfahren und generell im Gutachterwesen aufmerksam. „Die angekündigte Profil-Geschichte schließt somit an zahlreiche Berichte und Expertenmeinungen an, wonach das Mahringer-Gutachten die Sicherheitslage in Afghanistan verharmlost oder grob unrichtig feststellt. Für ein rechtstaatlich durchgeführtes Asylverfahren ist es unerlässlich, die Lage des Landes, in welches die Abschiebung droht, einer evidenzbasierte Prüfung der Sicherheitssituation zu unterziehen, die einer freien Beweiswürdigung des Gerichts zugänglich ist“, sagt die Menschenrechtssprecherin der Liste Pilz, Alma Zadic.

Für die Feststellung der Sicherheitslage in Afghanistan hat das Bundesverwaltungsgericht ein Gutachten in Auftrag gegeben. Wie Profil jetzt berichtet gleicht das Gutachten, auf welches sich zahlreiche negative Asylbescheide stützen, eher einem „Reisebericht“ als einem evidenzbasierten Sachverständigengutachten mit einem deutlich nichtwissenschaftlichen Charakter. Es sei „unterfüttert mit Fakten und Zahlen unklarer Herkunft“ und somit als „Entscheidungshilfe komplett untauglich.“

Reform des Sachverständigenwesens dringend notwendig

„Es ist für mich unerklärlich, wie solch ein Gutachten in einem Asylverfahren herangezogen werden kann, in dem zu beurteilen ist, ob für die betroffene Person Gefahr für Leib und Leben droht. Hier geht es um das Leben von Menschen, daher kommt dem Gutachten als Beweismittel eine besondere Bedeutung und dem Bundesverwaltungsgericht eine besondere Verantwortung zu“, meint Zadic und weiter: „Die Sicherheitslage in Afghanistan verschlechtert sich zusehends, zahlreiche Menschenrechtsorganisationen, das UN-Hochkommissariat für Menschenrechte, die Internationale Organisation für Migration und viele andere Organisationen kommen zu ganz gegenteiligen Ansichten.“

„Gutachten sind leider nicht immer von einer Qualität, die einem rechtsstaatlichen Verfahren angemessen wären. Sie müssen überprüfbar, vollständig und widerspruchsfrei sein. Das ist bei weitem nicht immer der Fall. Besonders schwerwiegende Folgen kann das im Bereich der Unterbringung psychisch Kranker im Maßnahmenvollzug haben. Die im Jahr 2015 noch von Justizminister Brandstetter eingesetzte Arbeitsgruppe Maßnahmenvollzug stellte fest, dass es häufig zu Fehleinweisungen, auch aufgrund mangelhafter Gutachten, kommt. Getan hat sich seither nichts. Das ist unwürdig, verletzend und mit den Geboten eines Rechtsstaates unverträglich“, sagt der Justizsprecher der Liste Pilz Alfred Noll.

„Wir müssen diesen Missständen ein Ende bereiten. Das gesamte Sachverständigenwesen muss reformiert werden. Die Liste Pilz hat schon im Wahlkampf Änderungen gefordert. Jetzt werden wir auch für die entsprechenden Reformen kämpfen. Es muss mehr in Aus- und Weiterbildung von Gutachtern investiert werden. Es muss einen besseren Austausch mit der Wissenschaft geben. Wir fordern verbindliche und einheitliche Qualitätsstandards für Gutachten. Nur so kann man sicherstellen, dass Richter und Behörden die beste Expertise bekommen. Wenn Gutachterinnen und Gutachter keine Qualität liefern, dann muss es Konsequenzen geben. Wir werden im Nationalrat demnächst einen entsprechenden Entschließungsantrag einbringen“, betonen Noll und Zadic.